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Montag, 12. Mai 2025

Bildauswahl

Heute wird im Overbeck Museum in Vegesack die Ausstellung „Ist mir eine Ehre!“ – Die Lieblingsbilder unserer Ehrenamtlichen eröffnet. Die Ausstellung geht noch bis zum 10. August. Das Overbeck Museum feiert damit sein 35-jähriges Bestehen. Vorher hatte das Gebäude in der Alten Hafenstraße den Namen KITO. Das ist jetzt kein Tippfehler, es hat nichts mit einer Kita zu tun, hier saß mal eine Verpackungsfirma, die Kisten aus Wellpappe herstellte und die den schönen Namen Kistentod hatte. 

Jetzt ist es ein Museum für die Bilder von Fritz Overbeck und Hermine Overbeck-Rohte und ein Ort für kulturelle Veranstaltungen. Das Packhaus ist um 1800 entstanden, man hat es neuerdings richtig aufgerüscht. Natürlich ist es schön, dass die Bilder von Fritz Overbeck, der ja von Worpswede nach Vegesack gezogen war, einen Platz gefunden haben, an dem sie gut zur Geltung kommen. Es ist viel Licht auf dieser Etage des Speichers, mehr Licht als in manchen Ausstellungsräumen in Worpswede oder Fischerhude. Es ist auch schön, dass aus dem etwas vergammelten Packhaus ein Kulturzentrum geworden ist.

Normalerweise bestimmt die Leitung eines Museums, was an die Wände gehängt wird, aber zum 35. Geburtstag des Museums hat die Direktorin Katja Pourshiraz sich etwas anderes einfallen lassen: Zum 35. Geburtstag des Overbeck-Museums bestimmen unsere Ehrenamtlichen, welche Bilder gezeigt werden. Lieblingsbilder, nahezu Unbekanntes und besondere Schätze – wer schon so viele Stunden ehrenamtlich Aufsicht in den Ausstellungsräumen gemacht hat, der hat zu manch einem Kunstwerk von Fritz Overbeck oder Hermine Overbeck-Rohte eine besondere Beziehung und kann etwas darüber erzählen. Deshalb sind den Bildern kurze Texte unserer Ehrenamtlichen zur Seite gestellt, die erzählen, was dieses Werk für sie persönlich bedeutet. Das kann man so machen, da hat jeder etwas davon. Meine beiden Overbecks sind noch bei mir im Wohnzimmer, aber eines Tages werden sie auch diesem Museum gehören, das habe ich schon ins Testament geschrieben.

Als ich die Sache mit der Bildauswahl durch die sechzig Ehrenamtlichen las, fiel mit eine kleine Geschichte ein, die ich in dem Post Russen hätte erzählen können, aber nicht erzählt habe. 1986 präsentierte der Kieler Kunsthallendirektor Jens Christian Jensen aufsehenerregende Neuerwerbungen: Malerei des 19. Jahrhunderts aus Russland und Polen. Erworben aus der Sammlung Georg Schäfer, zu der Jensen im Ruhestand als Kurator wechselte. Berater war er in Schweinfurt schon lange. Die Kunsthalle Kiel war plötzlich das einzige öffentliche Museum in der Bundesrepublik, das russische Malerei besaß. Das ist ungewöhnlich, von der russischen Malerei des 19. Jahrhunderts weiß man ja meistens nicht so viel, von der russischen Literatur schon. Dieses Bild von Iwan Kramskoj war wahrscheinlich das berühmteste Bild aus der Sammlung russischer Malerei. Das Bild der Dame, die von vielen für Anna Karenina gehalten wurde, hat hier schon den Post la belle inconnue.

Jensen, der erste hauptamtliche Direktor der Kunsthalle, hatte durch seine Tätigkeit das verschlafene Kiel aus der Regionalliga in die Champions League der Kunsthallen gebracht. Seine Nachfolger werden dafür sorgen, dass die Kunsthalle Kiel wieder Kreisklasse wird. Einer dieser Direktoren, der auch den schlechtesten Katalog der Kunsthalle zu verantworten hat, war darauf aus, immer in der Presse zu sein oder vor den Kameras des Regionalfernsehens aufzutreten. Und so behängte er die Außenwand der Kunsthalle mit 999 türkischen Fahnen und machte eine Ballermann Ausstellung, Bei der Ramona Drews, die Gattin des Königs von Mallorca, ihre Gemälde aufhängen durfte. Durch diese ganzen Remmidemmi Aktionen wurde die ständige Sammlung ein klein wenig vernachlässigt.

Und nun kommt eines Tages eine hochrangige Delegation russischer Kunstwissenschaftler und Direktoren der Eremitage nach Kiel. Die wollen gerne sehen, wie ihre russische Malerei, die es nur hier in Kiel gibt, gehängt worden ist. Ein legitimer Wunsch. Aber der Direktor kann den russischen Gästen die Bilder nicht zeigen. Nicht Iwan Kramskojs elegante Dame und auch nicht Isaak Iljitsch Lewitans schönes Bild Der stille Weg. Er bereite gerade eine ganz sensationell neue Ausstellung vor, sagt er den russischen Gästen. Bei dieser Ausstellung dürfen die Angestellten der Kunsthalte und die Hilfskräfte bestimmen, was an die Wände kommt. Die russische Delegation, die sich ein halbes Jahr zuvor angemeldet hatte, ist etwas konsterniert. Aber da sagt der Leiter der Delegation: Herr Direktor, ich gratuliere Ihnen. Lenin hat einmal gesagt, wenn meine Sekretärin an meinem Schreibtisch alles machen kann, was ich mache, dann ist der Höhepunkt des Kommunismus erreicht. Sie, Herr Direktor, haben jetzt den Höhepunkt des Kommunismus erreicht. Schöner geht Ironie nicht.

Noch mehr Overbeck in den Posts: Fritz OverbeckIch bin nicht sentimentalGrünkohlWorpswedeWuddelHafenstraße

 

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