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Montag, 22. Juli 2024

das blaue Band

Da läuft sie am 9. Juli 1959 zur ✺Jungfernfahrt nach New York aus, die neue Bremen. Sie wird für die Fahrt zwanzig Stunden mehr brauchen als jene Bremen, die heute vor fünfundneunzig Jahren in der Rekordzeit von vier Tagen, 17 Stunden und 42 Minuten den Atlantik überquert hatte. Die Bremen von 1959 war das fünfte Schiff des Norddeutschen Lloyds, das diesen Namen trug. Vorher hieß das Schiff Pasteur. Der Norddeutsche Lloyd hatte das 32.336 BRT große französische Schiff für dreißig Millionen Mark gekauft, um es beim Bremer Vulkan wieder zum Luxusdampfer umbauen zu lassen. Der Umbau, zu dem ich hier einen kleinen Fernsehfilm von Radio Bremen habe, wird das Doppelte des Kaufpreises kosten. Der Verkauf der Pasteur hatte in Frankreich zu großem Unmut geführt, weil die Franzosen hier ein Symbol Frankreichs an die boches verkauft sahen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie sie die Weser herauf geschleppt wurde, der ganze Ort stand unten am Strand. Das Schiff wurde zuerst nach Bremen geschleppt, dort bei Hochwasser im Hafen gedreht und dann wieder nach Vegesack gebracht. Da lag sie nun, sozusagen direkt vor der Haustür. Und da konnten wir zwei Jahre lang bewundern, wie sie immer schöner wurde.

Als das Schiff ankam, hatte es nichts mehr von einem stolzen Passagierschiff an sich. Dass die Pasteur zuvor kein Passagierschiff mehr war, sondern nur noch ein Truppentransporter, wusste ich damals nicht. Aber Hans Fander hat mir erzählt, dass er mit diesem Schiff zusammen mit tausenden anderer Fremdenlegionäre aus Indochina nach Frankreich zurückgekommen war. Von 1945 bis 1956 hatte die Pasteur 750.000 französische Soldaten befördert. Hin und her zwischen Marseille und Indochina. 

Als sie 1959 den Vulkan mit dem gelben Schornstein vom Norddeutschen Lloyd verließ, galt sie als das schönste Schiff seiner Zeit. Das Piano im großen Salon war schneeweiß. Das hat mir der Peter erzählt, der die Bremen dank einer Führung des Direktors vom Vulkan besichtigte, bevor sie abgeliefert wurde. Ich hätte auch dabei sein können, war es aber nicht. Ich konnte diesen Direktor des Bremer Vulkans nicht ausstehen. Der Vater meines Klassenkameraden Dirk Havighorst, der eine Bootswerft in Rönnebeck hatte, hatte einen Teil der Rettungsboote der Pasteur gekauft. Für jeden Passagier gab es im Rettungsboot eine kleine Kurbel. Wenn man mit sechs Mann ordentlich kurbelte, konnte man mit dem Boot auf der Weser fahren. War eine tolle Sache. Als Hans Fander mir erzählte, dass er während der ganzen Überfahrt nach Frankreich beinahe immer in einem Rettungsboot gelegen hätte, weil es unter Deck nicht auszuhalten war, habe ich ihm gesagt, dass wir vielleicht mit genau diesem Rettungsboot auf der Weser herumschipperten.

Hier, wo gerade die alte Bremen in den dreißiger Jahren von der Bremerhavener Kolumbuskaje ablegt, ist mein Opa mit Oma bei einer der ersten Fahrten der Bremen an Bord gegangen. Einmal Bremerhaven nach Southampton, Touristenklasse. Zurück ging's mit Fähre und Bahn. Er hatte eine Speisekarte von dieser Reise aufbewahrt, die meine Mutter 1959 blöderweise der Reederei der neuen Bremen geschenkt hat. Sie kriegt einen Dankesbrief dafür und einen bunten Prospekt. Ich fand das richtig doof, eine originale Speisekarte von einem Bremer Schiff wegzuschenken, welches einmal das Blaue Band errungen hatte. Vor allem, weil der Kapitän Ziegenbein seinen Gästen zu Ehren des Blauen Bandes ein ganz neues Gericht namens Cordon Bleu serviert haben soll.

Denn als der Kommodore Leopold Ziegenbein mit seiner Bremen in New York ankam, war das die schnellste ✺Atlantiküberquerung, seit die Mauretania der Cunard Line 1909 das Blaue Band erobert hatte. Das Schiff konnte nur deshalb so schnell sein, weil der Hundt hinter dem Ziegenbein her war, wie es später hieß. Der Hundt ist Julius Hundt, der Chefingenieur des Schiffes. Die Engländer werden den Deutschen diese Trophäe wieder abnehmen, die Queen Mary wird 1936 schneller sein als die Bremen. In Erinnerung daran hatte die englische Pfeifenfirma Comoy's ein Modell Blue Riband herausgebracht. Über den Schnelldampfer Bremen gibt es in diesem Blog schon einen Post, den ich heute noch einmal einstelle, überarbeitet und erweitert. 

Wir springen mal eben in das Jahr 1939. Hier wird die Bremen noch einmal angestrichen für die große Fahrt über den Atlantik. Die Bremer Speckflagge flattert stolz am Bug. Während der letzten Überfahrt der Bremen über den Atlantik hat der neue Kapitän Adolf Ahrens das Schiff von Freiwilligen (das heißt: der gesamten Besatzung einschließlich der Musiker des Bordorchesters) als Tarnfarbe grau streichen lassen. Während der Fahrt. Er wollte nicht, dass sein Schiff dem Engelsmann, wie er sich ausdrückte, in die Hände fällt. Der Zweite Weltkrieg steht vor der Tür.

Als er mit seiner Bremen den New Yorker Hafen verließ, hat er nicht die amerikanische Nationalhymne The Star-Spangled Banner, sondern das Horst Wessel Lied spielen lassen. Was ja eigentlich nichts anderes als das Lied vom Wildschütz Jennerwein ist (lesen Sie doch einmal den Post The Happy Wanderer). Aber es ist natürlich ein schlimmes Lied, das der Bremer Kapitän da spielen lässt: Als die 'Bremen' in den Hudson hinausgleitet, mehr als die halbe Strombreite einnehmend, intonierte die Kapelle das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied. Mit erhobenen Armen steht die Mannschaft und singt die Lieder der Nation. Machtvoll schallt das stolze Bekenntnis zu Deutschland über die Piers und den Strom. Seine Schriften wie Die Siegesfahrt der Bremen oder Männer Schiffe Ozeane, aus denen dies Zitat stammt, werden nach dem Krieg in der Sowjetisch Besetzten Zone wegen ihres nationalsozialistischen Gedankenguts verboten werden. 

Allerdings muss man bedenken, dass der größte Teil seiner Bücher von einem Ghostwriter namens Christian Hilker stammt, der aus Die Siegesfahrt der Bremen (man beachte allein den Titel) ein Propagandawerk gemacht hat. 1936 war Ahrens als Nachfolger von Kommodore Leopold Ziegenbein Kapitän der Bremen geworden, dem schnellsten und schönsten Schiff der Welt. Bei dem sogar der Schiffsname nachts beleuchtet war. Auf der Fahrt im September 1939 allerdings nicht mehr. Da ist alles dunkel. Es ist das Ende der deutschen Passagierschiffahrt.

Ich hoffe, dass es mir gelingt, euch gesund nach Hause zu bringen, hatte er der Besatzung am 30. August 1939 gesagt, als die Bremen ihre Heimfahrt antrat. Im letzten Krieg war er mit seinem Dampfer Derfflinger in Alexandria von den Engländern aufgebracht und fünf Jahre auf Malta interniert worden. Seit 1894 ist Ahrens auf See, da hat er als Schiffsjunge auf der Viermastbark Renée Rickmers angefangen. Den Bremerhavener Werftbesitzer Rickmer Clasen Rickmers kannte er, sein Vater war bei Rickmers der Gärtner. 1901 besteht der junge Ahrens sein Kapitänsexamen, danach ist er für den Norddeutschen Lloyd auf allen Weltmeeren. Meist in Ostasien. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Ahrens den elterlichen Gemüsehandel in Nordenham übernommen. Dass er kaufmännisch tätig war (wie es im Wikipedia Artikel steht) klingt natürlich besser, aber es war nun mal der Gemüsehandel.

Schon auf der Reise nach New York hatte er am 25. August 1939 südlich von Neufundland den Befehl empfangen, sofort nach Deutschland zurückzukehren und nur noch verschlüsselt zu funken. Der Kapitän Ahrens ist seit 1934 in der NSDAP, aber er gehorcht den Befehlen nicht. Er ist nicht ganz dumm. Er hat hohe amerikanische Diplomaten an Bord und der Sprit reicht nicht bis zurück nach Deutschland.

Doch als er in New York ist, tut er alles, um sofort wieder auszulaufen. Ohne Passagiere. So etwas wie die fünf Jahre Malta soll ihm nicht noch einmal passieren. Die Behörden machen ihm das Leben schwer. Ahrens ahnt, dass man ihn aufhalten will, um sein Schiff den Engländern zu übergeben. Aber als die Zollbeamten am Nachmittag des 30. September das Schiff verlassen, legt Ahrens ab. Zuvor hatte man noch Strafantrag gegen einen desertierten Tellerwäscher gestellt, das ist deutsche Gründlichkeit. Da steht dann im Logbuch: Heute desertierte der Tellerwäscher R.M. geboren 30.8.1913, unter Mitnahme seiner Effekten, Strafantrag wird gestellt. Ich weiß nicht, ob dieser Tellerwäscher Millionär geworden ist, aber glücklicher als im Nazideutschland wird er in Amerika wohl geworden sein.

Dass er solche Photos von Passagieren an Bord der Bremen, die die Silhouette von New York betrachten, nicht mehr machen wird, das ist Hanns Tschira klar. Hanns Tschira arbeitet seit Ende der zwanziger Jahre als Photograph für den Norddeutschen Lloyd. Bei dieser Reise ist er auf der Bremen. Auf dem Leuchtband der Nachrichten am Times Building kann er Englands Erklärung lesen, bei einem deutschen Angriff auf Polen die Polen zu unterstützen. Mit einem Male ist mir die ganze Stadt verleidet. Daß unser Führer die polnischen Provokationen weiter hinnimmt, ist ausgeschlossen, das steht in dem Buch Die Bremen kehrt heim, das den Untertitel Deutscher Seemannsgeist und deutsche Kameradschaft retten ein Schiff hat. Herausgegeben in Kooperation mit der NS Gemeinschaft Kraft durch Freude. Die meisten Bilder in diesem Post stammen von Hanns Tschira, sie können auf dieser Seite beinahe alles sehen, was er an Bord der Schiffe des Norddeutschen Lloyd photographiert hat.

Die Bremen (zweite von unten) wird eins der letzten deutschen Schiffe sein, das Amerika verlässt. Eigentlich wollte Ahrens lieber nach Kuba, aber die Telegramme aus Berlin sind jetzt eindeutig. Kuba ist nicht drin. Der Kapitän der französischen Normandie, die neben der Bremen liegt, lässt als Gruß einmal die Trikolore dippen. Sein Schiff wird den Rest des Krieges in New York bleiben. Ahrens schafft es, ohne dass ihn die Engländer aufhalten, über den Atlantik. Zwar nicht nach Bremerhaven, erst einmal in den noch neutralen Hafen Murmansk. Und von da aus im Dezember dann endlich doch nach Bremerhaven. Den Triumph, gleich zu Beginn des Krieges das schönste und größte Schiff der deutschen Handelsflotte zu erbeuten, wird der Engländer jedenfalls nicht erleben, wird er schreiben. 1940 verleiht ihm der Norddeutsche Lloyd den Titel eines Kommodore und der Bremer Senat die goldene Ehrenmedaille. Ein Jahr später wird er pensioniert.

Es ist viel Gewese um die Rückreise (die ja zu einer Siegesfahrt stilisiert wird) der Bremen gemacht worden. Niemand redet von dem Kommodore Friedrich Ferdinand Heinrich Kruse von der Hamburg Amerika Linie. Das Flaggschiff New York der Hapag ist auch Ende August vor New York. Es wird betankt und erreicht Murmansk zwei Tage nach der Bremen. Am 10. November 1939 ist die New York nach einer Schleichfahrt entlang der norwegischen Küste in Kiel-Holtenau. Aber da ist kein bekannter Photograph an Bord, der sofort ein Buch über die Fahrt schreibt wie Hanns Tschira. Und wahrscheinlich ist Kruse auch nicht in der Partei. Die New York wurde 1945 durch einen Luftangriff der Amerikaner vor dem Seebad Bellevue in der Kieler Förde versenkt.

Am dritten September 1939, als die Bremen den sechzigsten Breitengrad erreicht, sagt Ahrens der Mannschaft, dass er niemals zulassen werden, dass sein Schiff der britischen Marine in die Hände fiele. vorher werde er es versenken. Und setzt hinzu: Obendrein zünde ich das Schiff noch an! Das Anzünden soll zwei Jahre später angeblich der siebzehnjährige Decksjunge Gustav Schmidt besorgt haben, der deshalb nach Marinerecht (die Bremen gehörte inzwischen der Kriegsmarine) zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Aber es gibt erhebliche Zweifel an dieser Darstellung. Das Schiff wird in Bremerhaven ausbrennen.

Ahrens war die Verkörperung des befähigten Seemannes und Nautikers, der die angeborene Gabe besaß, mit bewunderswerter Sicherheit schwierige Situationen vorauszuahnen und unnachahmlich zu meistern, heißt es in der Bremischen Biographie über ihn. Dort wird auch sein Engagement für die Stiftung Haus Seefahrt in Grohn gelobt. Eine Leistung, die vielleicht größer ist, als die Bremen nach Hause zu bringen. Ahrens war als Schiffahrtsexperte von 1949–1953 als Mitglied der Deutschen Partei im Bundestag. Die konservative Partei, die nur in den norddeutschen Bundesländern antrat (und in Bremen die meisten Stimmen bekam) war damals sogar Regierungspartei.

Die Entnazifizierungsakte stuft Ahrens als Mitläufer ein. Das Kommando der Bremen hätte er wohl nicht bekommen, wäre er nicht in der Partei gewesen. Das war sein Vorgänger, der Kommodore Leopold Ziegenbein, auf keinen Fall. Der war 1936 in Pension gegangen, offiziell aus Altersgründen (er war zweiundsechzig), in Wirklichkeit war es wohl eher eine Zwangspensionierung, an der er und die Reederei gleichermaßen interessiert waren. Er wäre nie auf die Idee gekommen, seine Briefe Mit deutschem Gruß und Heil Hitler zu unterzeichnen, wie Ahrens das tut. Er beendet offizielle Feiern der Mannschaft an Bord der Bremen mit einem dreifachen Hurra, nicht mit Sieg Heil. Dass 1934 das jüdische Bordpersonal entlassen wurde, hatte er nicht verhindern können. Dass 1935 in New York die Hakenkreuzflagge vom Heck der Bremen gerissen wird, hat ihn nicht besonders berührt.

Er war ein Mann, der mit allen Situationen fertig wurde. Als er noch ein junger Seeoffizier auf der Prinz Ludwig war und sich eine Diplomatengattin kreischend über eine Ratte in ihrer Kabine beschwerte, wäre der gute Ruf der Schiffe des Norddeutschen Lloyds beschädigt gewesen. Wenn da nicht der Erste Offizier Leopold Ziegenbein gewesen wäre. Mit gewinnendem Lächeln dankte er der Dame für das Wiederauffinden des schon schmerzlich vermissten Maskottchens des Schiffes. Es braucht wohl nicht hinzugesetzt werden, dass die Ratte natürlich kein Maskottchen war.

Er war der berühmteste deutsche Kapitän seiner Zeit, die Stadt New York hatte ihn zum Ehrenbürger gemacht (oben ist er mit Graf Luckner zu sehen). Ziegenbein war Freimaurer (und Rotarier), er verstand sich als nationaler Patriot und Weltbürger, der sich und seine Reederei immer als Botschafter seines Landes ansah. Albert Ballins Satz Mein Feld ist die Welt könnte ihn charakterisieren. Aber das Deutschland der Nazis war nicht mehr das seine. Das waren sowieso freudlose Fahrten für den Mann geworden, der die schönen Frauen liebte: der internationale Jet Set meidet deutsche Schiffe. Die Bremen ist zu einem Nazischiff geworden. Im Oktober 1936 teilt er dem Norddeutschen Lloyd seinen bevorstehenden Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen mit.

Ziegenbein zog sich in sein Haus in Bremerhaven (wo es heute eine Kommodore Ziegenbein Promenade gibt) zurück und hisste die schwarz-weiß-rote Flagge, wenn die Bremen zurückkam. Niemals die mit dem Hakenkreuz. Es war für ihn der schmerzlichste Augenblick seines Lebens, die Bremen brennen zu sehen. Das war sein Schiff gewesen, er hatte schon die Bauaufsicht bei der AG Weser gehabt. Hatte der Mauretania das Blaue Band abgenommen. Da hatte sogar Willem aus seinem Exil in Doorn ein Glückwunschtelegramm gesandt. Natürlich kam auch ein Telegramm von Hindenburg, der das Schiff getauft hatte. In Uniform mit Pickelhaube. Als die Amerikaner Bremerhaven besetzten, verbannten sie Ziegenbein in seinem Haus unters Dach. Das hat der Ehrenbürger von New York ihnen übelgenommen. Die Bremische Biographie 1912-1962, die eine ganze Seite für Adolf Ahrens übrig hat, erwähnt Leopold Ziegenbein mit keinem Wort. Ein Schiff, zwei Kapitäne. Und ein hingerichteter Schiffsjunge. Auf einer Sandbank bei Blexen kann man bei starker Ebbe noch die Reste des Schiffes sehen. 

Der erste Kapitän der neuen (fünften) Bremen hieß 1959 Heinrich Lorenz. Er sitzt auf diesem Photo rechts neben Fidel Castro. Seine Tochter Marita sitzt links neben Castro. Lorenz' Gattin, Alice June Lofland (eine Cousine von Henry Cabot Lodge), war unter dem Künstlernamen June Paget einmal Ballerina am Broadway gewesen. 1932 haben die beiden in Bremerhaven geheiratet. Im Krieg verhalf sie gefangenen französischen Widerständlern zur Flucht. Sie wurde denunziert und landet mit ihrer kleinen Tochter Marita im KZ Bergen-Belsen. Sie haben beide Bergen-Belsen überlebt. 

Die Tochter Marita Lorenz wird noch berütmt, weil sie eines Tages eine Liebesaffäre mit Fidel Castro hat. Hier sind Marita und Fidel bei einem Tête-à-Tête und rauchen kubanische Zigarren. Marita arbeitet dann nicht wie ihre Mutter für das NSC, sondern für die CIA. Bekam von Frank Sturgis den Auftrag, Fidel Castro zu vergiften. Tat sie aber nicht, stattdessen schlief sie mit ihm. Aber das ist eine andere Geschichte.

Adolf Ahrens' Buch Die Siegesfahrt der Bremen lag bei meinem Opa herum, ich habe es gelesen, als ich noch klein war. Es war nicht so interessant wie die Erzählungen der Kapitäne, mit denen mein Vater befreundet war. Wenn Sie mehr zu der denkwürdigen Fahrt der Bremen lesen wollen, kann ich noch empfehlen: Gertrud Ferber, 'Acht Glas': Kommodore Ziegenbein. Wesen und Wirken eines deutschen Seemannes (1940). Klaus-Peter Kiedel, Die letzte Transatlantikreise des Schnelldampfers Bremen. In: Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft 98 (2004). Nils Aschenbeck, Schnelldampfer Bremen (1999). Peter A. Huchthausen, Shadow Voyage: The Extraordinary Wartime Escape Of The Legendary SS Bremen (2005) und Thomas Siemon, Ausbüxen, Vorwärtskommen, Pflicht erfüllen: Bremer Seeleute am Ende der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 1930-1939 (2002), Schnelldampfer Bremen Hg. Norddeutscher Lloyd 2013. 

Dienstag, 2. Juli 2024

Wittheit

Ich kaufte mir für eine Mark bei Conrad Claus Otto die Karte für den Vortrag. Der Buchhändler war der einzige im Ort, bei dem man Karten für die Vorträge der Wittheitt zu Bremen bekam. Diese Bremer Wissenschaftsorganisation hatte seit 1948 eine Unterorganisation, die Vortragsvereinigung Bremen Nord, deren Vorträge in der Aula meines Gymnasiums stattfanden. Wie an diesem Abend der Vortrag des Anglistikprofessors Arno Esch. Sein Thema war Shakespeares Hamlet, und er hatte sich zwei Sätze Hamlets als Kernstelle des Stücks herausgepickt: There is a special providence in the fall of a sparrow. If it be now, 'tis not to come; if it be not to come, it will be now; if it be not now, yet it will come - the readiness is all. Das ist so ein philologischer Zaubertrick, man erklärt irgendetwas zu einer Kernstelle und macht dann bei der Interpretation alles dazu passend. Ich war schwer beeindruckt und beschloss, Anglist zu werden. Ich war neunzehn. Was ein Anglist war, das wusste ich, weil ich damals eine schwere Uwe Johnson Phase hatte. Und in dessen Roman Mutmaßungen über Jakob kommt ein Anglist vor, da hatte ich das Wort Anglist zum ersten Mal gesehen.


Ich war auf den Vortrag gut vorbereitet, ich hatte Shakespeares Hamlet noch einmal gelesen. In der Rowohlt Ausgabe (englisch-deutsch), die ich 1965 auch ins Bremer Theater zu der Hamlet Aufführung von Kurt Hübner mitnahm. Ich saß dank der Abo-Karte meiner Eltern in der ersten Reihe, als Bruno Ganz vorne im Orchestergraben seinen Monolog Sein oder Nichtsein sprach. Als er eine schicksalsschwere Kunstpause einbaute, hielt ich ihm zuvorkommend meinen mitgebrachten Rowohlt Text vor die Nase. Er wechselte beleidigt im Bühnengraben die Seite. Einige Akte später, kurz nachdem Bruno Ganz das es waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings. Geschieht es jetzt, so geschieht es nicht in Zukunft; geschieht es nicht in Zukunft, so geschieht es jetzt; geschieht es jetzt nicht, so geschieht es doch einmal in Zukunft. In Bereitschaft sein ist alles rezitiert hatte, sauste eine Florettspitze neben mir in den roten Plüschboden. 

Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Das Florett war in einem Fechtkampf zwischen Bruno Ganz und Hans-Peter Hallwachs abgebrochen. Die beiden Schauspieler standen mit offenem Mund an der Bühnenrampe. Diese Hamlet Aufführung war der Beginn der Karriere des damals noch völlig unbekannten 24-jährigen Bruno Ganz: es war auch eine Hamlet Aufführung, die ich nie vergessen habe. Der Bursche ist verdammt jung, vierundzwanzig, natürlich zu schmal, zu unentwickelt, zu sehr mit sich selbst und seiner Jugend beschäftigt, zu ‚unreif’, um einen Hamlet zu spielen. Er spielt ihn. Er steht ihn durch, nicht nur physisch. Er kann das aus einem einfachen, verblüffenden, aber einleuchtenden Grund: er bringt das Bewusstsein, eigentlich zu jung zu sein für die Figur, mit in die Rolle ein. Er spielt einen Hamlet, welcher wohl weiß, dass er zu ‚unreif’ für die Welt ist, in der er lebt, zu sehr noch zögernd, fragend, neugierig, störrischJung, schrieb Theater Heute damals. Das Theaterprogramm habe ich noch aufbewahrt, die sahen in der Zadek Zeit immer gleich aus: Theater Bremen in knallrot und dazwischen der Name des Stücks mit der Schreibmaschine getippt. Arno Esch begegnete mir im Studium Jahre später als Buchautor wieder. Zusammen mit Walter F. Schirmer hat er eine Kurze Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur herausgegeben. So kurz ist die Geschichte nicht, es sind immerhin 411 Seiten.

Die Wittheit zu Bremen habe ich schon in dem langen Post Geistiges Bremen erwähnt. Sie wird in diesem Jahr neunzig Jahre alt. Sie sieht ihre Aufgabe in der Veranstaltung wissenschaftlicher Vorträge, der Herausgabe wissenschaftlicher Veröffentlichungen, der Anregung und Unterstützung wissenschaftlicher Arbeiten, der Pflege der Beziehungen zu Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Instituten, der Pflege von Tauschbeziehungen mit wissenschaftlichen Körperschaften, Instituten und Vereinigungen und der Vergabe des Bremer Preises für Heimatforschung. Dass der Verein auch die Beziehung zur Bremer Uni pflegt, ist neueren Datums. In den ersten Jahren der Bremer Uni, als die als rote Kaderschmiede galt, wahrte man eine gewisse Distanz. Die Wittheit hat ihren Sitz in diesem schönen kleinen Haus aus dem Jahre 1800, direkt neben dem Bremer Dom. Da steht mit goldenen Lettern Verein Vorwärts auf dem Haus, das war ein 1846 gegründeter Bildungsverein der Zigarrenmacher. Die Zigarrenmaakers sind die erste gewerkschaftlich organisierte Gruppe in Bremen gewesen, wo es in der Mitte des 19. Jahrhunderts 78 Tabakfabriken gab. Sie bildeten auch ein Element gesellschaftlicher Unruhe in der sonst festgefügten konservativen bürgerlichen Struktur des 19. Jahrhunderts. Ihr Zusammenschluss verfolgte neben der Wahrung sozialer Interessen auch Ziele in der Allgemeinbildung wie im Verein Vorwärts. Und sie hatten, genau wie in Kuba, auch Vorleser in der Fabrik. Vielleicht lasen die auch einmal Hamlet vor.

Die Wittheit zu Bremen gibt Jahresbände heraus, in denen es häufig thematisch kunterbunt zugeht, aber es gibt auch Themenbände. Wie diesen hier: Lebensraum Bremen-Nord: Geschichte und Gegenwart, 1989 bei Heinrich Döll in Bremen erschienen. Darin schrieb unser Nachbar Dr Ado Schiff über die Werften des Ortes, das fiel ihm leicht, denn er war der Direktor des Bremer Vulkans. Aber deshalb hatte ich das Buch nicht gesucht. Was mich interessierte, war der 25-seitige Artikel Kulturelles Leben in Bremen-Nord von Dr Johannes Schütze. Den kannte ich auch, er war der Direktor meines Gymnasiums gewesen. Er hatte bei Levin L. Schücking über Dickens' Frauenideal und das Biedermeier promoviert und war 1954 der jüngste Direktor eines Gymnasiums in Bremen geworden. Er war auch 1948 der Initiator der Vortragsvereinigung Bremen Nord gewesen. Die Liste der in vierzig Jahren eingeladenen Gelehrten ist bedeutend, es waren einige Nobelpreisträger dabei. Auch Bremer, wie der Kunsthallendirektor Günter Busch, wurden eingeladen. Vielleicht schreibe ich irgendwann eine kleine biographische Skizze über den Dr Johannes Schütze, der so viel für die Kultur des Ortes getan hat. Die Hälfte von dem, was Schütze in seiner Darstellung auflistet, war mir unbekannt. Es ist unglaublich, wie viel Kultur es damals in diesem kleinen Ort Vegesack gab.

Wenn heute jemand einen Bericht über das kulturelle Leben im Ort in den letzten zwanzig Jahren abfassen sollte, er könnte sich kurzfassen. Das Haus an der Weser, in dem Johannes Schütze wohnte, ist abgerissen. Es war ein architektonisches Kleinod, das sich der Architekt Ernst Becker-Sassenhof neben dem Ruderverein als Wohnhaus gebaut hatte. Ein Drittel der historischen Altstadt am Hafen wurde abgerissen, weil man eine gigantische Autobahn plante, die die ganze Region verändern sollte. Sie wurde nie gebaut. Zugegeben, was in Vegesack passiert ist, war nicht schön, sagte der Bürgermeister Hans Koschnik später auf einem Wahlplakat. Der Hauptarbeitgeber der Region, der Bremer Vulkan, ist pleite. Es gibt kein einziges Kino mehr im Ort. Mein Gymnasium wurde 1977 aufgelöst und auf andere Schulen verteilt. Das brauchte Johannes Schütze, der bis 1974 Direktor war, nicht mehr als Direktor zu erleben. Bremen nimmt heute bei der Schulqualität den letzten Platz aller Bundesländer ein. Ob es die Vortragsvereinigung Bremen Nord noch gibt, das weiß ich nicht.

Sonntag, 23. Juni 2024

Trolleybus

Wahrscheinlich sagt Ihnen das Wort Obus jetzt nichts, aber ich habe gerade durch Zufall (ich suchte eigentlich etwas ganz anderes) Abbildungen vom Bremer Obus gefunden. Das bringt mich dazu, doch mal eben einen kleinen Post über öffentliche Verkehrsmittel in den fünfziger Jahren zu schreiben, als es auf den Straßen noch so schön leer war. Meine Mutter hatte vor dem Krieg ein Auto gehabt. Genau genommen war es Opas Auto, aber der hatte keinen Führerschein. Sie hat den Wagen bei Kriegsausbruch nach Bremen bringen müssen. Hat ihn, wie tausend andere Bremer Autobesitzer, auf der Bürgerweide abstellen müssen. Hat eine Quittung von der Wehrmacht bekommen, und das war’s. Sie trauerte die ganzen fünfziger Jahre noch diesem Auto nach. Die ersten Autos sind immer die schönsten, auch wenn sie uns immer im Stich ließen. Das ist wie mit den Frauen.

Unser erstes Auto war 1950 ein blauer Opel Olympia. Der hatte keine Heizung und kein Radio, aber es war ein Auto, wer hatte so etwas schon? Damals gab es in unserer Straße fünf Autos, alle im Besitz von Ärzten. Einer besaß ein Mercedes 220 Coupé, das ich auf dem Schulweg immer bewunderte. Wenn man noch die Lieferwagen vom Milchmann Mähr (Goliath Dreirad) und die LKW der Kohlen- und Kartoffelhändler und einiger anderer Gewerbetreibender dazu zählte (plus die beiden Feuerwehrwagen), standen im ganzen Ort vielleicht zwei Dutzend Autos auf den Straßen. Dass eine Bundesstraße durch den Ort ging, merkte man gar nicht. Viele Gewerbetreibende hatten noch Pferdefuhrwerke. Unser Milchmann Martin Bogaschinski kam immer pünktlich mit dem Pferdewagen, sein Pferd wäre wahrscheinlich auch ohne ihn pünktlich gekommen. Es kannte die Strecke. Mein Onkel Gustav hatte seinen alten Kleinlaster, den meine Mutter schon vor dem Krieg gefahren hatte, und er besaß einen alten Stoewer. Nicht diesen luxuriösen Stoewer Arkona da unten, sondern einen langweiligen schwarzen Stower Greif Junior. War vor dem Krieg mit 3.300 Reichsmark das preiswerteste Modell gewesen, das die Firma baute.

Bremen war für uns in unserem kleinen Vorort weit weg. Wir gehörten auch erst seit 1939 zu Bremen. Wir brauchten die Großstadt nicht unbedingt, der kleine Ort war sich selbst genug. Our Town. Echte Vegesacker fühlten sich nicht als Bremer. Das galt für die umliegenden Ortschaften wie Aumund, Grohn, Schönebeck und Blumenthal genau so. Wir hatten unsere eigene Geschichte, gehörten mal zu Schweden, mal zu England (sprich Hannover), mal zu Frankreich. Aber nie wirklich zu Bremen.

Wir hatten (als Zentrum von dem, was heute Bremen-Nord heißt) Kirche, Volksschule, Realschule, Handelsschule, Lyceum, Gymnasium, Postamt, Finanzamt und drei Kinos. Unseren eigenen Freimarkt hatten wir auch einmal im Jahr. Nach Bremen fuhr man nur, wenn man ins Theater wollte. Oder zum Bremer SV oder Werder Bremen ins Weserstadion. Andererseits sahen Bremer auch keinen Grund, sich nach Vegesack zu begeben. Marga Berck gibt in ihrem Buch Die goldene Wolke die schöne Geschichte wieder, die Alfred Heymel seinen Gästen zum Abschied erzählt. Sie handelt von einem Freund, der sich ein flottes Pferd kaufen will, keinen langweiligen Traber. Da sagt der Pferdehändler: Dann kann ich Ihnen nur diesen Braunen empfehlen, sehr empfehlen. Wenn Sie mit dem um neun Uhr früh hier abreiten, sind Sie um zehn in Vegesack. Worauf Heymels Freund antwortet: Dann will ich das Pferd nicht haben, was soll ich denn um zehn in Vegesack?

Gut, das war zur Zeit der Jahrhundertwende, aber das zwanzigste Jahrhundert hatte es schwer, die Vororte zu erreichen, die ihren dörflichen oder kleinstädtischen Charakter bis weit in die fünfziger Jahre nicht ablegen mochten. Ascan Klée Gobert beschreibt in seinen wunderbaren Erinnerungen an die Zeit um 1900 im Hamburg, wie grundverschieden Pöseldorf von Harvestehude oder anderen Stadtteilen war. In Kindheit im Zwielicht bringt er die schöne Anekdote: Niemals wäre es umgekehrt einem Pöseldorfer eingefallen, etwa auf der 'anderen Seite', rund um die Alster spazierenzugehen. Die Frau eines Überseekaufmanns vom Mittelweg, in Hongkong befragt, ob sie wohl fast täglich mit ihrer verheirateten Tochter und den Enkeln zusammenkäme, erwiderte klagend 'O nein, sie wohnt auf der Uhlenhorst, und die Alster trennt so rasend!' Obgleich es noch keine sehr schnelle Verbindungen, geschweige Flugzeuge gab, hatten viele Kaufleute einen stets gepackten 'City-Bag' im Kontor, um jederzeit unvorbereitet nach London abfahren zu können. Vor einer Einladung nach Hohenfelde hätten sie ungläubig und mit der erstarrten Frage gesessen: 'Wie kommt man denn überhaupt dahin?' Falls Hamburger Leser das nicht gleich erkennen: so sah die Lombardsbrücke um 1880 aus.

Als ich Goberts Zacke und LochKindheit im Zwielicht und Der Stundenplan las - und ich kann den Autor (der übrigens der Vater von Boy Gobert ist) unbedingt zur Lektüre empfehlen - fühlte ich mich an Kindheit und Jugend in Vegesack erinnert. Ich fühlte mich damals - wie so viele Vegesacker - nicht als Bremer. Wir Vorstädter haben auch unseren Snobismus. Marga Bercks Jugenderinnerungen Sommer in Lesmona und Die goldene Wolke sind nicht die einzigen Werke der deutschen Literatur, in denen die Bremer Vororte eine Rolle spielen. In Botho Strauß' Theaterstück Besucher wird auch die Problematik des öffentlichen Personennahverkehrs problematisiert: [Karl Joseph:] In Bremen vierundsechzig oder fünfundsechzig — ich gastierte im Danton— da hatten wir einen jungen Kollegen, der ist eines Abends, also es war schon Viertel eins. Dantons Tod, eine Viecherei, kein Bus fuhr mehr, da ist er plötzlich zur Rampe gelaufen, mitten im Text, und fragt ins Publikum hinunter, ob ihn jemand nach der Vorstellung mit nach Lesum nehmen kann. Dort hat er nämlich gewohnt, mitten im Text. Der war übergeschnappt. Auch ganz jung. Na ja... Die Rolle des Karl Joseph war Will Quadflieg auf den Leib geschrieben. Der wusste natürlich auch, wo Lesum war, er wohnte da nämlich in der  Nähe.

Ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, als ich zum ersten Mal in meinem Leben mit Onkel Gustav nach Bremen fahren durfte. Wir gerieten in Gröpelingen in eine amerikanische Militärstreife. Militärpolizisten, die Helme mit weißer Aufschrift MP trugen, waren damals überall im Straßenbild zu finden. Man hatte immer noch Angst vor den Besatzern. Die amerikanischen Soldaten wollten sich bei der Kontrolle des alten Stoewers totlachen. Der Wagen besaß nämlich keinen Tacho, lediglich einen Öldruckmesser, so was hatten sie noch nie gesehen. Der Fahrtrichtungsanzeiger hieß damals noch Winker und klappte seitlich aus der Karosserie heraus; ein richtiges Trittbrett besaß der Wagen nicht mehr, so modern war er doch schon. Die Türen gingen nach vorne auf. Ich bin mal in Bremen in einer Kurve mit der Beifahrertür, an die ich mich dann klammerte, aus dem Wagen geflogen. Kam aber am Ende der Kurve wieder mit der Tür in den Wagen zurück. Davon sagst Du zuhause aber kein Wort, schärfte mir Gustavs Chauffeur ein.

Wenn man von Vegesack nach Bremen wollte, konnte man natürlich mit der Bahn fahren. Aber meistens nahm man den Bus (der gemeinhin auch Bummelbus hieß), weil man mit dem Fahrschein auch in dem Bremer Straßenbahnnetz weiterfahren konnte. Wer immer den Schnack aufgebracht hat, dass Bremen ein Dorf mit Straßenbahn ist, es ist etwas dran. Konrad Weichberger hat sogar Gedichte geschrieben, in denen die Bremer Straßenbahnen vorkamen. Der Bus der BVG (Bremer Vorortbahnen GmbH) fuhr allerdings seit 1924 nur bis Burgdamm. Das Busfahren soll damals nicht unbedingt ein Vergnügen gewesen sein. So heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Bremer Straßenbahn AG von 1976: Die Fahrgäste wurden auf dem Kopfsteinpflaster der Vorort- und Landstraßen noch derart durcheinander geschüttelt, dass viele davon ,seekrank' wurden und den Wagen an der nächsten Haltestelle fluchtartig verließen. In Burg musste man in dem sogenannten Gummibahnhof umsteigen (so etwas heißt heute ZOB). In eben den besagten Obus. Der hieß auch Trolleybus, steht aber als Obus in dem Gesetz, das Personenbeförderungsgesetz heißt: Obusse im Sinne dieses Gesetzes sind elektrisch angetriebene, nicht an Schienen gebundene Straßenfahrzeuge, die ihre Antriebsenergie einer Fahrleitung entnehmen. Die Wörter GummibahnhofObus und Trolleybus sind heute aus der Sprache verschwunden, zu meinem Leben gehörten sie aber dazu. Wenn Sie alles über die Geschichte dieses inzwischen in seiner Existenz bedrohten Fahrzeugswissen wollen, dann klicken Sie ➱hier.

Die Trolleybusse (die einen Anhänger hatten, das gibt es heute bei Bussen nicht mehr) zwischen Burg-Lesum und dem Straßenbahndepot in Gröpelingen fuhren von 1949 bis 1961. Die Amerikaner hatten dieses Gefährt verordnet, weil ihnen die Straßenbahn der Linie 8, die früher bis Burgdamm reichte, in der Mitte der alten Reichsstraße zu gefährlich erschien. In Amerika waren Trolleybusse damals eine ganz große Sache. Man kann auf dem Photo ganz oben auch noch sehen, dass der Bus das Nummernschild AE (für amerikanische Enklave) trägt. Bis zum Jahre 1945 war es HB gewesen (wie hier an diesem Opel Admiral), fünfzig Jahre nach der Einführung des HB-Kennzeichens im Jahre 1906 bekommt die Hansestadt Bremen das HB wieder zurück.

Ein Jahr später kam das Ende für Gummibahnhof und Obus: Da die Obuslinie den Straßenbahnbereich Bremen und den Autobusbereich Bremen Nord verband, mußten die Fahrgäste auf dieser Strecke zweimal umsteigen. Es war schon seit längerer Zeit geplant, hier eine betriebliche Verbesserung zu schaffen durch Heranführen der Autobuslinie aus dem Raume Bremen Nord an das Straßenbahnnetz (Gröpelingen), wodurch nur noch einmaliges Umsteigen erforderlich ist. Hinzu kam, daß wir durch das in § 32a StVZO festgelegte Verbot des Mitführens von Anhängern hinter Kraftomnibussen bei Aufrechterhaltung des Obusbetriebes gezwungen gewesen wären, neue Obusfahrzeuge (Gelenkwagen) zu beschaffen, denn ein Obusbetrieb ohne Anhänger wäre auf dieser Strecke unwirtschaftlich gewesen. So haben wir dies als Anlaß genommen, die bereits geplante Maßnahme durchzuführen und ziehen ab 6.11.1961 die Autobuslinie N1 bis Gröpelingen durch. Daneben verkehrt die Linie 8 (als Autobuslinie) weiterhin zwischen Gröpelingen und Burgdamm. Auf beiden Linien werden Gelenkbusse eingesetzt.

Weshalb man für die sieben Kilometer Strecke die Trolleybusse angeschafft hatte, statt den Bus gleich bis zum Straßenbahndepot in Gröpelingen (oder weiter) durchfahren zu lassen, habe ich nie begriffen. Dass das mit dem Bus funktionierte, bewies der Schnellbus zwischen Vegesack und Bremen. Der war zwar ziemlich teuer, bretterte aber ohne Halt durch. Den habe ich nur zweimal benutzt. Man sparte damals an den Gebühren für den Nahverkehr und fuhr mit dem preisgünstigsten Verkehrsmittel. Wie anders ließe sich die Bremer Straßenbahnunruhen (auch der Große Schüleraufstand genannt) in den sechziger Jahren sonst erklären. Zwanzig Pfennig Erhöhung und in der ganzen Stadt Krawall. Siebzig Pfennich – lieber rennich! hieß die Devise. Von solchen Fahrpreisen träumt man heute. Hundert Jahre zuvor, als der Omnibusverkehr eingeführt wurde, kostete die Fahrt (ohne Rücksicht auf die Entfernung) zwei Silbergroschen. Heute sind es zwei Euro und vierzig.

Straßenbahnunruhen. Much ado about nothing? Oder liegen dem Bremer seine Straßenbahnen und Omnibusse so am Herzen? Ich weiß es nicht, weil ich zur Bremer Revolutionszeit entweder nur in Vegesack oder bei meiner Freundin in Oberneuland war. Oder bei Dr Proksch auf dem Sofa hockte. Und längst ein Auto hatte. Mit dem man natürlich nie von Vegesack nach Bremen fuhr. Es gab zwar keine amerikanischen Militärstreifen mehr, aber es gab auch keine Parkplätze in Bremen. Die Zeiten, da man noch auf dem Marktplatz vor dem Firmensitz der Degussa parken konnte, waren lange vorbei. Ja, da links, da waren mal Parkplätze. Doch die Straßenbahn fährt immer noch am Rathaus vorbei, das finde ich sehr beruhigend. Weil es eine der wenigen Konstanten in Bremen ist.

Die alte Straße von Fegebüdel nach Bremen gibt es immer noch, sie zeigt mit ihren Namen unmissverständlich, weshalb sie einmal angelegt worden war: Vegesacker Heerstaße, dann Lesumer Heerstraße, Grambker Heerstraße, Oslebshausener Heerstraße, Waller Heerstraße. Inzwischen ist Vegesack durch Autobahnen an Bremen angebunden. Meine Mutter hat die neu gebaute Stadtautobahn nie befahren. Weil die über das kleine Stück Land ging, das Opa mal in Aumund gekauft hatte. War nichts als ein riesiger Schrebergarten mit einer hohen Hecke drum herum, aber wir bauten dort Kartoffeln, Obst, Bohnen und Erdbeeren an. Wurden im Zuge des Planfeststellungsverfahrens enteignet. Man brauchte ja unbedingt eine Stadtautobahn. Die ist heute immer schön leer. Auf dem Teilstück, das über unser Land geht, fährt kaum jemand. Will heute noch jemand nach Bremen?

Die Leute fahren an Bremen vorbei, weil sie zu Dodenhof wollen und dann Kilometer vor der Abfahrt Posthausen die Autobahn verstopfen. Jedes Wochenende. Wie die Lemminge. Will noch jemand von Bremen nach Vegesack? Der Satz Dann will ich das Pferd nicht haben, was soll ich denn um zehn in Vegesack? hätte heute nichts mehr mit dem elitären Snobismus des Kreises der Goldenen Wolke zu tun. Der Ort ist soweit heruntergekommen, dass man sich für ihn schämen muss. Wozu dann noch die ganze Verkehrsanbindung? Aber wir haben neben dem alten roten Backsteingebäude des Bahnhofs einen Busbahnhof, der von verkehrstechnischem Größenwahn zeugt. Hätte man früher nicht gebraucht. Warum müssen nur alle immer unterwegs sein? Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, daß sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen. Ich musste den Philosophen Blaise Pascal mal eben zitieren, denn das ist derselbe Blaise Pascal, der nicht wollte, dass die Menschen im Zimmer blieben. Der wollte, dass sie seinen gerade erfundenen ➱Pariser Omnibus benutzen. Was überhaupt die Welt bewegt, das ist der Widerspruch.

Für den Anton Reiser von Karl Philipp Moritz und für Friedrich Engels war Vegesack noch ein erwähnenswerter Ort. Im 19. Jahrhundert schreibt ein Reiseführer von dem freundlich gelegenen, reinlichen Städtchen, die Heimat der verlassenen hübschen Frauen der Bremer Capitains. Reinlich ist es da heute nicht mehr, und hübsche Frauen gibt es da wahrscheinlich auch nicht mehr. In den siebziger Jahren hat man den halben Ort plattgemacht. Mit dem Abriss der 250 Jahre alten Sonnenapotheke in der Hafenstraße begann es, danach kommt eine Flächensanierung. Was das Städtebauförderungsgesetz nicht alles an Interpretationen hergibt! Es ist ein Wunder, dass man das Havenhaus aus dem 17. Jahrhundert hat stehen lassen. Man träumte damals von einem fünfspurigen Fährzubringer, der auf der anderen Weserseite nach Oldenburg führen sollte. Der ist allerdings nie gebaut worden, dafür war der alte Ortskern unwiederbringlich zerstört. Aber wir haben jetzt hervorragende Verkehrsanbindungen und diesen überdimensionierten Busbahnhof.

Ich möchte heute am Sonntag auch das Geburtstagskind in Hamburg grüßen, einen Mediziner, der wahrscheinlich nicht Dr. med, sondern Dr. omnibus ist. Weil er als Arbeitsmediziner alles über die Arbeitsbedingungen der Hamburger Busfahrer weiß. Wobei ich allerdings nicht weiß, ob er jemals in einem Trolleybus gefahren ist. Sie können ihn übrigens ➱hier sehen. Was er da erläutert - das Haus der Arbeitsfähigkeit - ist ein Modell, das aus Finnland kommt. Mit dem führenden finnischen Arbeitsmediziner Prof. Dr. Juhani Ilmarinen hat das Geburtstagskind auch gerade das Buch Arbeitsleben 2025 veröffentlicht. Diese Schleichwerbung musste mal eben sein, sozusagen als Geburtstagsgeschenk. Happy Birthday, Jürgen Tempel!

Donnerstag, 22. Februar 2024

Photos, ungeordnet


Ich ging mit meinem Opa den Weg zum Weyerberg hinauf, links von uns in dem kleinen Wäldchen war ein Mann mit einer Baskenmütze bei der Gartenarbeit. Das ist Hans Saebens, sagte mein Opa. Musste ich den kennen? Ich fragte Opa, wer Hans Saebens sei. Ein berühmter Photograph, sagte er. Ich hatte noch nie von ihm gehört, ich war ja noch jung. Aber zehn Jahre später, als ich zu photographieren begann, da kannte ich seine Bilder. Jetzt habe ich mehrere Bücher über ihn. Das war noch alles Schwarzweiß Photographie, mit kleiner Blende photographiert, knallscharf. 

Und mit viel Gelbfilter, damit die Wolken so schön herauskamen. 13 DIN Film und mit Neofin Blau entwickelt. Den Horizont tiefgelegt wie die Holländer; er wusste, wie man es macht, er hatte ja als Landschaftsmaler in Worpswede angefangen: Es gelingt ihm, das Charakteristische der norddeutschen Tiefebene in dramatischen, stimmungsvollen Aufnahmen festzuhalten. Das weite Land und die mächtigen Wolkenzusammenballungen werden in deutlich voneinander abgegrenzten hellen und dunklen Bildzonen festgehalten. Vor allem seine späten Aufnahmen sind durch Sparsamkeit der Ausdrucksmittel und strenge Komposition gekennzeichnet.

Er war durch Zufall zur Photographie gekommen, hatte sich 1930 eine Leica gekauft. Er photographierte nicht nur Worpswede, er photographierte sich auch durch ganz Bremen. Das Focke Museum besitzt 26.000 Photos von ihm. Zu seinem sechzigsten Todestag zeigte das Museum die Ausstellung Bilder für Bremen 1930-1959. Dies Bild vom nächtlichen Herdentorsteinweg ist eins davon. Dreißig Jahre zuvor hat es in der Bremer Landesbildstelle die Ausstellung Hans Saebens Photographien 1930-1959 gegeben. Bei booklooker will ein Händler 390 Euro für den Katalog haben, da bin froh, dass ich den besitze.

Photobücher sind teuer geworden, noch teurer sind Originalabzüge eines Photos. Zum Beispiel einer der 1.300 Abzüge, die Ansel Adams von seinem Moonrise, Hernandez, New Mexico gemacht hat. Der teuerste Abzug brachte vor Jahren bei Sotheby's 685.000 Dollar. Die Reproduktion, die in meinem Flur hängt, hat auch schon Geld gekostet. Im Shop der Familie von Ansel Adams, die seine Bilder vermarktet, kostet das Bild zweihundert Dollar. Es gibt nur ein einziges Negativ von dem Bild, Adams hat die Abzüge im Labor immer wieder verändert: Attempting to convey the intensity of his experience watching the moon rise over this austere landscape, Adams progressively increased the contrast in the prints, heightening the moon’s whiteness and deepening the sky’s darkness, steht auf der Seite des MoMa. Der erste Abzug hat wahrscheinlich so ausgesehen wie auf dem linken Bild.

Ich besitze nur ein einziges Photo, das von einem Photographen signiert ist, und das sieht so ähnlich aus wie diese Postkarte hier. Bei mir ist nur noch ein großer Frachter in der Bildmitte. Der Photograph muss für dieses Bild der Weser bei Vegesack auf die Balustrade vor der Villa Fritze geklettert sein, um diesen Blick über den Stadtgarten auf die Weser präsentieren zu können. Mein Bild ist 27 x 39 cm groß, es ist unten rechts signiert Erich Maack. Der ist auch der Photograph der Postkarte, die er in seinem Laden unter dem Titel Vegesack, die Stadt am hohen Ufer verkaufte. Das Bild hat mich gerahmt bei einem Hinterhofhöker zehn Mark gekostet; wie es dahin gekommen war, weiß ich nicht.

Dieses Bild konnte man 1940 auch bei Maack als Postkarte kaufen, es zeigt das Rathaus von Aumund. Das Haus kenne ich, weil ich da meinen Führerschein abgeholt habe, damals war das Straßenverkehrsamt in dem Gebäude. Was ich allerdings nicht wußte, und was wohl in den sechziger Jahren wenige wußten, war die Tatsache, dass diese 1860 erbaute ehemalige Villa der Reederfamilie Lange in den vierziger Jahren der Sitz der Gestapo war. Wahrscheinlich wußte das Erich Maack auch nicht.

Was Erich Maack normalerweise photographierte, also neben Konfirmations- und Paßbildern (und dem Portrait meiner Mutter im Abendkleid mit Silberfuchsstola), waren die Schiffe des Bremer Vulkan und der Lürssen Werft. Fünfzehntausend Photos vom Vulkan sind im Bremer Staatsarchiv archiviert, die Lürssen Werft, für die er 4.500 Bilder gemacht hat, hat heute ihr eigenes Archiv. 

Wer Erich Maack war und was er machte, das wußte ich schon, als ich jung war. Auch wenn ich damals noch nicht wußte, wer Hans Saebens war. Ich war mit Erich Maacks Tochter Annegret in der Volksschule in einer Klasse. Sie ist in diesem Blog schon an zwei Stellen aufgetaucht. Dass sie so schön singen konnte, steht in dem Post Ingeburg Thomsen, und in dem Post Hafenrundfahrt kann man sie auf einem Photo sehen. Sie ist die kleine mit dem Pagenkopf rechts neben der großen blonden Gabi. In dem Post Photographieren steht viel über das Photogeschäft, das Erich Maacks Vater Fritz Maack dem Photographen Gustav Dähn 1932 abgekauft hatte. 1992 hatte Erich Maack das Geschäft seinem Sohn Dieter übergeben; der Dieter ist gerade im Alter von einundachtzig Jahren gestorben, und damit hat die Photographie in Vegesack nach neunzig Jahren ein Ende gefunden. Heute knipst ja jeder mit dem Handy. Der Bremer Vulkan braucht keinen Photographen mehr, die Werft gibt es nicht mehr.

Das Photographieren gehörte in den fünfziger Jahren zu unserem Leben, also bevor wir entdeckten, dass es auch Frauen und französische Filme gab. Ekke und ich hatten ein kleines Photolabor in den Häusern unserer Eltern, Peter war der erste, der eine Spiegelreflex Kamera besaß, Gert hatte von seinen Eltern eine alte Leica geschenkt bekommen. Manche von uns wurden Photographen, wie meine Klassenkameraden Bernd Wurthmann und Eberhard Petzold. Der Eberhard photographiert Schiffe und hat damit großen Erfolg. Also, er photographiert nicht nur Schiffe, wie Erich Maack oder Hans Saebens (der hier einen Neubau auf dem Vulkan photographiert hat) das getan haben. Das hätte er er auch vom Schönebecker Sand aus tun können. Es geht ihm um die Darstellung der weltweiten Schiffahrt, dafür ist er auch jahrelang auf Handelsschiffen mitgefahren. 

Die Monika, die dieses Photo von der Gudrun gemacht hat (und auch das Photo von mir in dem Post Ziggis), wollte eigentlich Photographin werden. Sie hatte eine tolle Photoausrüstung, dies Bild hier ist mit einer Rolleiflex gemacht worden. Mone hat eine Ausbildung als Photographin gemacht, hat es sich dann aber anders überlegt, hat Kunstgeschichte studiert und bei Erich Hubala promoviert. Den kenne ich, weil er einer meiner Prüfer im Fach Kunstgeschichte war. Er taucht auch noch ohne Namensnennung gleich am Anfang von dem Post Palladio auf.

Wer dieses Bild gemacht hat, weiß ich nicht, aber ich weiß, wer die Frau auf dem Bild ist. Und dass das Wort Danger etwas mit ihr zu tun hat. Die Mone hat eine Vielzahl von Bildern von Gudrun gemacht, ich habe von beinahe allen einen Abzug. Die Aneignung von Bildern ist wie die Aneignung einer Person, da bin ich wie Proust mit seiner Liebe zu Photographien. Ich habe der Gu damals gesagt, dass sie ohne Frage ein Model werden könnte. Vielleicht für die Firma Marimekko, deren Kleider sie so gerne trug. Das Bild in dem Absatz da oben, wo sie mit dem weißen Regenmantel vor der Strandlust steht, gefällt mir am besten. Außer den Bildern, die Mone in Dänemark von uns gemacht habe. Wenn ich einen Scanner hätte, dann könnte man jetzt hier das Bild von Gudrun im Bikini in den Dünen von Hennestrand sehen.

Statt des Bikinibilds habe ich an dieser Stelle ein ganz anderes Bild von ihr, und ich muss dazu vorweg sagen: das ist richtige Kunst. Auch wenn es nicht so aussieht. Es ist ein Unikat von einem amerikanischen Professor für Photographie namens David Van Allen. Der hatte zuvor eigentlich normale Portraits mit seiner Nikon geknipst, aber dann wurde er von den multiple images von David Hockey beeinflusst: I encountered the photographic work of the English painter, David Hockney, in the 1980’s and started experimenting with multiple images fragments to create an image that possessed a larger, more humanly perceptible sense of time and space. Auf seiner Homepage können wir lesen: I make life-size, film-based, multiple-image, photographic portraits. Several moments in time and several points of view are incorporated into the creation of one of these portraits. They take a couple of months to assemble and cost between $1.000 and $3.000. Für diese Gudrun will er fünftausend Dollar haben.

Hier hat er sie noch einmal photographiert, das steht sie rank und schlank neben der Collage; sie ist fünfundfünzig Jahre alt, sieht aber jünger aus, forever young. Wenn Sie auf dieser Seite mit dem Scanner über die Figur gehen, können Sie sehen, wie das Ganze zusammengesetzt ist. Ich mag die wirkliche Frau lieber als das multiple-image, photographic portrait. Ich frage mich nur, warum will er es verkaufen? 

Als er das seltsame Photo machte, hatte er eine Affaire mit seinem Modell, aus der für Jahre eine long distance relationship wurde, sie in Mexico, er in Iowa. Nach ihrem Tod hat er mir geschrieben: Even though we split up, I was still very fond of her and her death was a big assault to my heart. Er hat dann noch eine Adresse beigefügt, wo man seine ganzen Collagen bewundern konnte. Und eine Preisliste. Aber für diese Art der Photographie würde ich kein Geld ausgeben. Für einen Handabzug von Moonrise, Hernandez, New Mexico schon. Und ich habe die Gudrun lieber so wie auf diesem Photo.

das blaue Band

Da läuft sie am 9. Juli 1959 zur ✺ Jungfernfahrt  nach New York aus, die neue  Bremen . Sie wird für die Fahrt zwanzig Stunden mehr brauchen...